Architektur Gastronomiekonzept & Design

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Architektur ist Musik, die Räume zum Schwingen bringt und Emotionen erzeugt.

Montag, 27. Februar 2012

Weingut Gössinger





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LA PISSALADIÉRE De NICE

Torte von geschmorter Zwiebel

mit „Pissalat“ aus Nizza

Meine Erinnerung an die Pissaladière ist jene Torte der Frauen von Ste Maxime aus dem kommunalen Holzofen aus Biotsteinen (einer Art Tuffsteine aus Biot bei Antibes), in welchem man für ein paar Centimes, sein Brot, seinen Kuchen, seine geschmorten Gerichte oder natürlich seine Pissaladière backen lassen konnte.

Gerade am Sonntag gab es immer einen regen Verkehr am kommunalen Ofen und die Männer genehmigten sich einen Pastis in der daneben befindlichen Bar, wenn sie auf die backenden Gerichte, die ihre Frauen zubereitet hatten, warten mußten.

Oft nahm mich mein Großvater, wenn er ins Dorf auf einen Aperitif ging, mit –ich war gerade 5 – 6 Jahre. Vor dem Café spielten die Männer „au boulles“, also „a la Pétanques“, was meinem Großvater zusehenderweise sehr gefiel. Manchmal wurde er von den Männern des Dorfes aufgefordert: „Eh, Monsieur Boucherit, vous tirez une boulle avec nous?“ „Spielen sie eine „Kugel mit uns?“. Er ließ sich meist ein wenig bitten, - wegen der Goutte - der Gicht, wie er sagte, spielte dann meist aber mit.

Danach aßen wir beide immer ein Stück lauwarme Pissaladière direkt vom kommunalen Ofen, serviert mit etwas frischem Ziegenkäse, ich trank dazu eine vom Wirt selbstgemachte Limonade (Zitrone, Zucker und Bikarbonat (Soda) und mein „Pépé“ ein kühles Glas Rosé.

Die Pissaladière ist zwar heute noch immer eine der echten Spezialitäten aus „Nice“, beruht aber auf einer zweitausendjährigen Tradition, welche in unterschiedlicher Variante im Mittelmeerraum sicher öfter anzutreffen war!

Es handelt sich also um einen flach ausgebreiteten, frischen Brotteig, zubereitet mit etwas Olivenöl, zugedeckt mit einer dicken Schicht Zwiebelconfit von milden, weißen Zwiebeln, wie sie am Mittelmeer üblich sind, gemischt mit ein wenig Pissalat, gesäumt von ein paar schwarzen, getrockneten Oliven, nur mit ein paar wenigen Sardellen dekoriert und, wie schon erzählt, im Brotofen gebacken.

Hier kommt selbstverständlich keine Spur von Tomaten hinzu, weil, als dieses Gericht langsam entstanden ist, die Tomaten in Europa natürlich noch lange nicht existierten!

Der Pissalat oder im Provenzalischen „peis salat“, also „gesalzener Fisch“ ist in Wirklichkeit die Zersetzung von kleinen Sardinensetzlingen, wenn sie maximal 2 cm lang, noch weiß und ohne Schuppen sind, im Französischen sogenannte „Poutines“.

Der Pissalat ist verwandt mit dem römischen „Hallex“ (auch Allex oder Allec), dieser Fischpasta aus zersetztem Fisch, welche auch vergleichbar ist mit der asiatischen Shrimpspasta „mâm tôm pâte“, oder auch mit dem „Mélets“, das man heute noch immer in Martigues, dem provenzalischen Venedig am Rhoneufer produziert. Nur daß das Mélets aus jungen Sardellen (zwischen 4 und 8 cm) erzeugt wird, welche 15 bis 45 Tage zersetzt und intensiv mit Fenchel gewürzt werden, das Mélets isst man lauwarm, gemischt mit Olivenöl (was man „faire le Quichet“ nennt), wie eine Bruschetta.

Der Pissalat ist nicht vergleichbar mit dem Garum oder Liquamen, weil diese sind flüssig und - bei guter Qualität - auch fast vollkommen durchsichtig. Der römische Hallex und somit der zeitgenössische Pissalat, oder Mélets sind Vorstufen von Garum oder Liquamen, welcher viel länger zersetzt werden und auch noch viel teurer wären!

Apicius soll angeblich Vermögen für gute Liquamen ausgegeben haben! Plinius der Ältere (Pline IX, 66) schreibt auch: M. Apicius, ad omne luxus ingenium natus, in sociorum garo, necari praecellens putavit atque e iecore eorum allecem excogitare.

„Marcus Apicius, geboren mit einem natürlichen Talent für Luxus in alle seinen Formen entwickelte als höchste Form der Raffinesse, Rotbarbe in „Garum der Alliierten“ (jenes aus Cartagena galt als das Famoseste!) umzubringen (zu ertränken) um Allex aus ihrer Leber zuzubereiten!“

Natürlich unterschieden auch die Römer Liquamen aus verschiedenen Fischsorten, - eines der Besten soll aus Makrele gewesen sein - was auch einen bedeutenden Preisunterschied ausmachte. Ähnlich beim Hallex, so Plinius: Sic allex pervenit ad ostreas, echinos, urticas maris, mullorum iocinera. „So fängt man langsam an auch Allex aus Austern, Seeigeln, Seeanemonen, Leber von Meerbarben zu erzeugen!“

Das Fischen der Poutines, also dieser jungen, weißen Sardinen, ist im Mittelmeer absolut verboten, außer - aufgrund der Pissalat-Tradition -, in Antibes, Cros-de-Cagnes, Nice und Menton, nur für eine kurze Periode, und es darf nur durch insgesamt 30 Familien ausgeübt werden, was natürlich streng kontrolliert wird und zu so manchen Shakespeare-reifen, mordreichen Familiendramen führt!! Daher ist ein echtes Pissalat heutzutage unwahrscheinlich schwierig zu bekommen und sehr teuer. Sogar in Paris bei Fauchon – dem Maßstab der käuflichen Gourmandise in Frankreich - bekommt man kein Pissalat!!

400g = 100g + 300g 
Mehl

20 g frische Bierhefe

10 + 15 cl lauwarmes Wasser etwa 35 Grad (nicht warm!!)

3 EL Olivenöl

5 g Salz

2,5 kg Zwiebel

4 Knoblauchzehen

1 Lorbeerblatt

ein Zweiglein Bohnenkraut (Sariette)

1 Zweig frischer Thymian

12 Sardellen

1 EL Sardellenpasta oder 20 g in Nizza gekaufter Pissalat!

2 kleine schwarze getrocknete Oliven aus Nice
 (nur 2 ?)

10 cl Olivenöl

In einer Schüssel Germ mit den 10 cl Wasser gut auflösen, die 100 g Mehl zufügen und zu einem weichen Teig vermischen, mit einem Tuch abdecken und an einem warmen Platz 1 bis 3 Stunden aufgehen lassen. Wenn das Volumen sich in etwa verdoppelt hat, in einer zweite Schüssel mit dem restlichen Mehl und dem Salz gießen, Öl und restliches Wasser zufügen und rühren bis sich eine glatter Teig bildet, der nicht mehr am Gefäß klebt. Zu einer Kugel formen und in der Schüssel unter einem feuchten Tuch an einem warmen Platz etwa 1 ½ Stunden ruhen lassen.

Die Teigkugel auf ein Brett geben, portionieren (halbieren oder vierteln) und händisch auf die Größe der Pissaladière ausbreiten (nicht mit einer Teigrolle drücken, sonst werden die Glutenmoleküle beim Backen hart).

Die weißen Zwiebel schälen, dann in Richtung der Knollenblätter halbieren und in der anderen Richtung, in dünne Scheiben schneiden, in einem sehr breiten Topf in den 10 cl Olivenöl zusammen mit den Knoblauchzehen in der Haut, dem Lorbeerblatt und dem Bohnenkraut sehr langsam schmoren lassen, ohne Farbe anzunehmen, um ein „Confit“ zu erreichen (etwa 1 ½ Stunden). Eventuell kann man am Ende ein paar Tropfen Wasser zufügen, wenn es bereits Gefahr läuft am Boden zu haften. Dann mischt man die warmen Zwiebel mit dem Pissalat, ersatzweise (das kann man selbstverständlich nicht vergleichen!!) mit Sardellenpasta. Man würzt noch mit dem gerebelten frischen Thymian und schmeckt mit Salz und Pfeffer ab.

Dann nimmt man das Lorbeerblatt heraus, breitet das Zwiebelnconfit auf dem Teig aus und dekoriert mit den 10 Min. im Wasser entsalzten Sardellenfilets und den Oliven. Die Pissaladière schiebt man dann 10 bis 15 Min. in ein auf 240 Grad vorgeheiztes Backrohr. Die Pissaladière serviert man am besten lauwarm mit einem grünen Salat mit einer Sauce Moutarde (Dijon) und natürlich einem kleinen, frischen Ziegenkäse und einem Rosé aus der Provence!